Fachzeitschrift Frischelogistik - "Logistik erleichtert Pflegelast"

München, November 2019 - Ein digital gesteuertes Unterstützungsnetzwerk für Hilfesuchende und ehrenamtliche Helfer hat der Verein deinNachbar in München aufgebaut. Initiator ist Thomas Oeben.

Logistik erleichtert Pflegelast

 

Der Ursprung der Logistik liegt, so liest man es immer wieder, im militärischen Bereich. Unstrittig ist, dass große Armeen wie die des antiken Roms ohne ein ausgeklügeltes Versorgungsmanagement nicht möglich gewesen wären. Erst in den 60er und 70er Jahren, so steht es zumindest auf Wikipedia, verbreitete sich der logistische Ansatz auch in der Wirtschaft.

Wenn man so will hat der Münchener Verein deinNachbar den nächsten logischen Schritt gemacht und die Logistik auf den Pflegebereich ausgedehnt. Und das nicht ohne Grund: Aufgrund des demografischen Wandels ist die häusliche Versorgung älterer Menschen massiv gefährdet, mahnt der Verein. Bis zum Jahr 2030 steigt die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland auf 4,9 Millionen.

Hinzu kommen wahrscheinlich noch einmal rund 8 Millionen Hilfsbedürftige, die noch keinen Pflegegrad haben, aber dennoch auf Unterstützung im Alltag angewiesen sind. Man müsse also damit rechnen, dass im Jahr 2030 mindestens jeder siebte Bürger auf Unterstützung im Alltag angewiesen ist. Auf der Versorgerseite werden für das gleiche Jahr über 500 000 fehlende Pflegefachkräfte prognostiziert.

Der schon jetzt herrschende Pflegenotstand droht sich also drastisch verschärfen. Die Belastung der pflegenden Angehörigen, die schon heute 79 Prozent aller Pflegebedürftigen versorgen, wird immens steigen, befürchtet nicht nur deinNachbar.

Aus diesem Grund wurde 2015 deinNachbar als gemeinnütziger Verein gegründet. Er beschäftigt Pflegefachkräfte und schult viele ehrenamtliche Helfer, die die Versorgung von Senioren sicherstellen sollen. Im Gegensatz zu herkömmlichen sozialen Organisationen hat deinNachbar sein Konzept aus logistischer Sicht erstellt: Zusammen mit der Helferportal GmbH & Co. KG wurde ein modernes ERP-System für diesen Bereich entwickelt und die aufwändigen Prozesse der Helfersuche und der -koordination digitalisiert. Die Idee für den Helferdienst stammt von Thomas Oeben, der Rettungsassistent und Betriebswirt hat vor der Vereinsgründung als Logistiker in der Speditionsbranche gearbeitet.

Soziale Versorgung innerhalb von 24 Stunden sicherstellen

 

Die Vision des Vereins ist – analog zur Logistik – die soziale Versorgung innerhalb von 24 Stunden sicherzustellen, und zwar kostengünstig, qualitativ hochwertig, flächendeckend und deutschlandweit. Doch da Unterstützungsleistungen nicht lagerbar sind, ist diese Aufgabe nicht wirklich trivial. Hierfür sind Oeben und seine Mitstreiter auf der Suche nach Kooperationspartnern, die sie bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen. Beispielhaft wird deinNachbar von dem Lebensmittellogistiker ME Logistik unterstützt.

Der Eigentümer Michael Erhart hat einen LKW als Werbefläche zur Verfügung gestellt, so dass das Netzwerk bei den Hilfsbedürftigen und pflegenden Angehörigen publik gemacht wird und mehr und mehr ehrenamtliche Helfer gewinnen kann. Nachdem circa sechs Prozent aller Arbeitnehmer gelichzeitig pflegende Angehörige sind und damit eine enorme Doppelbelastung erfahren, kann die Idee auch Unternehmen tatkräftig unterstützen, betont der Verein.

So berate die vereinseigene Fachstelle für pflegende Angehörige Arbeitnehmer rund um das Thema Pflege und unterstützt bei der Organisation der Pflegesituation. Fachkräfte zeigen Techniken und geben Tipps zur Erleichterung des Pflegealltags und ehrenamtlichen Helfer entlasten die pflegenden Mitarbeiter, so dass sich diese auf ihre Arbeit fokussieren können.

In München erfolgreich umgesetzt

 

Seinen interdisziplinären Ansatz aus Pflege, modernem Ehrenamt, hervorragend funktionierender Logistik und einem hohen Grad der Digitalisierung hat deinNachbar in München bereits erfolgreich implementiert. Das Konzept basiert auf einer stringenten Arbeitsteilung zwischen Pflegefachkräften und Laienhelfern.

Das Netzwerk aus vielen ehrenamtlichen Helfern wird von Pflegefachkräften geschult und angeleitet. Die »Last« der pflegenden Angehörigen wird so auf viele Schultern verteilt, wobei das System dafür sorgen soll, dass das Engagement für den einzelnen Helfer nicht zur Last, sondern zur Bereicherung wird. Das soll erreicht werden, indem die Helfer nur passgenaue Einsatzanfragen bekommen. Im Aufnahmegespräch wird von jedem Helfer ein Profil angefertigt und im System hinterlegt. Dazu gehören Attribute wie gewünschten Tätigkeiten, mögliche Zeitfenster für Einsätze, geografisches Einsatzgebiet, Qualifikationen, Interessen oder gewünschte Einsatzstunden. Sobald eine Fachkraft des Vereins einen Hilfebedarf in das System eingibt, frägt es bei passenden Helfern per App oder SMS-Service die Einsatzbereitschaft ab.


Die Verbindlichkeit der Versorgungsstruktur wird durch die Engmaschigkeit des Netzwerkes und durch die schnelle, digitale Helfersuche und Einsatzkoordination erreicht. Die Qualität wird durch die angestellten Pflegefachkräfte sichergestellt, die die Klienten persönlich aufnehmen und den Bedarf evaluieren, pflegende Angehörige beraten und die ehrenamtlichen Helfer schulen und anleiten. Die Ergebnisse der Zufriedenheitsbefragungen auf Helfer- und Klienten-Seite werden im System hinterlegt.


Der Verein hat im Juli 2015 in München die ersten Räumlichkeiten bezogen, die als Koordinationsstelle, Schulungszentrum und soziale Begegnungsstätte dienen. Die Nachfrage steigt kontinuierlich. Das Pilotstadium ist laut deinNachbar mit mehr als 1800 Betreuungsstunden pro Monat, die von den ehrenamtlichen Helfern erbracht werden, abgeschlossen.

Jederzeit skalierbar

 

Die Prozesse und die IT-Infrastruktur sind soweit ausgebaut, dass der gemeinnützige Verein das Projekt jederzeit skalieren kann. Abhängig von der Anschubfinanzierung könne eine Vielzahl weiterer Niederlassungen nach demselben Modell aufgebaut werden.


Der Verein erzielt Einnahmen durch die erbrachten Leistungen, die von den Pflege- und Krankenkassen oder den Hilfesuchenden selbst bezahlt werden. Je nach Förderung durch Land und Kommune, Leistungsträger und den geforderten Qualifikationen der Helfer wird das Preisgefüge individuell auf die Region der Niederlassung angepasst. Anliegen des Vereins ist es, dass Selbstzahler einen moderaten Betrag für die Betreuungsstunde bezahlen und die Helfer eine faire Aufwandsentschädigung für ihr Engagement bekommen oder aber Punkte auf einem Vorsorgekonto gutgeschrieben erhalten.


Der Aufbau der Niederlassung in München wurde in ehrenamtlicher Vollzeitbeschäftigung des Vorsitzenden geleistet und neben Stiftungs- und Fördergeldern hauptsächlich durch sein privates Darlehen finanziert.


Für die Skalierung besteht nach Berechnungen des Vereins pro Niederlassung je nach Standort und notwendiger Investition in die Ausstattung von Räumlichkeiten ein Kapitalbedarf zwischen 300 000 und 350 000 Euro. Basierend auf den Erkenntnissen aus München erreicht eine Niederlassung nach drei Jahren den Break-Even-Punkt und trägt sich danach selbst.


Daneben möchte deinNachbar auch mit anderen Organisationen kooperieren und diese bei Bedarf schulen. Zielsetzung ist der Aufbau eines deutschlandweiten, flächendeckenden und qualitätsgesicherten Unterstützungsnetzwerks, das Hilfsbedürftige und pflegende Angehörige innerhalb von 24 Stunden verbindlich mit Unterstützungsleistungen versorgt.

 

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